Die Deportierten bei der Treppe, die zum unterirdischen Teil des Krematoriums führte. Fragment eines Krematorium-Models von Mieczysław Stobierski.
Quelle: PMA-B
„Jedes Mal, wenn ein neuer Transport eintraf, kamen die Leute durch das Haupttor des Krematoriums herein und wurden dann zu der unterirdischen Treppe geschickt, die zum Entkleidungsraum führte. Es waren so viele, dass sie eine lange Warteschlange bildeten. Wenn die ersten hineingingen, waren die Letzten noch gut hundert Meter weit entfernt. Nach der Selektion auf der Rampe wurden zuerst die Frauen, Kinder und Alten in den Tod geschickt und dann erst kam die Zeit für die Männer“.
Quelle: Shlomo Venezia, Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Das erste umfassende Zeugnis eines Überlebenden, München 2008, S. 104f.
Der Entkleidungsraum. Ein Fragment eines Krematorium-Models von Mieczysław Stobierski.
Quelle: PMA-B
„Im Entkleidungsraum waren an den Wänden nummerierte Kleiderhaken, und darunter standen Holzbänke, auf die sich die Menschen beim Ausziehen hinsetzen konnten. Um sie noch mehr zu täuschen, sagten ihnen die Deutschen, sie sollten sich ihre Nummern gut merken, damit sie ihre Sachen „nach dem Duschen“ besser wieder finden können. Später kam noch die Anweisung dazu, die Schuhe paarweise zusammen zu binden. In Wirklichkeit erleichterte es, dem Kanada-Kommando das Aussortieren der mitgebrachten Güter. Diese Anweisungen wurden im Allgemeinen von den wachhabenden SS-Männern gegeben, doch es kam auch vor, dass ein Mann des Sonderkommandos, der die Sprache der Deportierten sprach, ihnen die Anweisungen erteilen musste. Um die Menschen zu beruhigen und um sicher zu stellen, dass sie alle schnell und problemlos gehen werden, versprachen die Deutschen den Opfern, dass sie nach der „Desinfizierung“ eine richtige Mahlzeit erhalten werden. Viele Frauen beeilten sich deshalb sehr, um als erste dran zu kommen und die Prozedur so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, zumal ihre verschreckten Kinder sich mit all ihren Kräften an sie klammerten. Für die Kinder musste das alles noch viel unfassbarer, beunruhigender, dunkler und schrecklicher gewesen sein als für alle anderen".
Quelle: Shlomo Venezia, Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Das erste umfassende Zeugnis eines Überlebenden, München 2008, S. 105.
Die Gaskammer (im unteren Teil der Aufnahme) sowie die Ofenhalle (darüber). Fragment eines Krematorium-Models von Mieczysław Stobierski.
Quelle: PMA-B
„Nach ihrer Entkleidung gingen die Frauen in die Gaskammer und warteten, da sie dachten, dass sie in einer Dusche mit Duschköpfen über ihnen seien. Sie konnten nicht wissen, wo sie sich in Wirklichkeit befanden. Einmal kamen einer Frau Zweifel, da sie das Wasser zu lange nicht tröpfeln sah, als sie jedoch zu einem der Deutschen, die vor der Tür standen, ging, wurde sie sofort von ihm brutal geschlagen und damit gezwungen, auf ihren Platz zurück zu gehen. So war ihr das Bedürfnis, weitere Fragen zu stellen, vergangen. Schließlich wurden auch die Männer in die Gaskammern gestoßen. Als die Deutschen zum Schluss ungefähr dreißig kräftige Männer in den bereits vollen Raum stoßen, dachten sie, dass ihr Gewicht dazu nützlich sein könnte, die anderen noch weiter in das Innere des Raumes zu stoßen. Und in der Tat blieb diesen wie Tiere getriebenen Männern nichts anderes übrig, als willenlos die Menge weiter nach vorne zu drängen, um selbst reinzukommen und so den Schlägen ausweichen zu können. Daher glaube ich, dass damals schon dadurch allein viele von ihnen starben, noch bevor das Gas überhaupt eingelassen wurde.[…].
Endlich kam der Deutsche mit dem Gas. Er nahm zwei Häftlinge des Sonderkommandos mit, um den Deckel über der Gaskammer draußen hoch zu heben, damit er danach das Zyklon B durch die Luke hineinwerfen konnte. Der Deckel war aus Beton und daher sehr schwer. Der Deutsche hätte sich niemals die Mühe gemacht, ihn selbst hoch zu heben. Wir schafften es kaum zu zweit. Manchmal fiel diese Aufgabe auf mich, manchmal auf einen anderen. Ich habe dies bis heute nie zugegeben, denn es erfüllt mich mit großem Schmerz zuzugeben, dass ich den Deckel hochheben und auch wieder aufsetzen musste, als das Gas bereits hinein geworfen wurde. Und doch war es so [...]
Wenn das Gas erst einmal hinein geworfen worden war, dauerte es zehn bis zwölf Minuten, danach verstummten alle Stimmen, im Innenraum blieb niemand lebendig.
Ein Deutscher kam dann, um festzustellen, ob schon wirklich alle tot waren, wofür er durch das Guckloch hineinschaute, das sich in der schweren Tür befand (von innen war es durch ein Eisengitter geschützt, damit die Opfer nicht versuchen konnten, die Fensterscheiben ein zu zuschlagen). Wenn er sicher war, das niemand mehr lebte, öffnete er die Tür und verschwand sofort wieder, nachdem er die Ventilatoren wieder in Gang gesetzt hatte”.
Quelle: Shlomo Venezia, Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Das erste umfassende Zeugnis eines Überlebenden, München 2008, S. 105 – 109.
Der Aufzug, der die Leichen aus der Gaskammer im Keller ins Erdgeschoss zu Ofenhalle transportierte. Ein Fragment eines Krematorium-Models von Mieczysław Stobierski.
Quelle: PMA-B
„Zwanzig Minuten lang hörte man ein außergewöhnliches Brummen, wie bei einer die Luft aussaugenden Maschine. Erst dann konnte man endlich hineingehen und anfangen, die Leichen aus der Gaskammer zu beseitigen. Ein schrecklicher beißender Gestank füllte den gesamten Raum aus. Es war demnach schwierig, den einen spezifischen Gasgeruch vom Geruch, der von ihren Körpern absonderten und den der von den Auscheidungen ausging, zu unterscheiden. [...]
Man gab mir eine Schere, und befahl mir, den Frauen die Haare abzuschneiden. Den Männern wurden die Haare allerdings nicht geschnitten. Die Deutschen interessierten nur die längsten Haare. Einen besonderen Wert legten sie auf lange Zöpfe, die leicht abzuschneiden und zu transportieren waren. Man musste beide Hände verwenden, um mit diesen großen Scheren zu schneiden. Danach sammelte man die Haare ein und warf sie in einen großen Sack. Ein Lastwagen holte die zu Seite gestellten Säcke regelmäßig ab und brachte sie in eine Lagerhalle in der Stadt, wo sie gelagert wurden. Nachdem die Haare abgeschnitten und die Goldzähne gezogen waren, kamen zwei Personen und warfen die Toten auf einen Lastenaufzug, der sie ins Erdgeschoss zu den Verbrennungsöfen brachte. Der Entkleidungsraum und die Gaskammer befanden sich im Kellergeschoss. Man konnte von sieben bis zu zehn Leichen auf die Plattform des Aufzuges legen. Dies hing je nachdem entweder von der Größe oder vom Gewicht der jewiligen Leiche ab. Ein Stockwerk höher holten zwei Häftlinge die Leichen runter und schickten den Aufzug zurück. Der Aufzug hatte keine Tür, an einer Seite wurde er nur von einer Mauer blokiert, und wenn er oben ankam, wurden die Leichen auf der anderen Seite herausgeholt. Dann wurden sie vor die Öfen gezogen und paarweise vor ihnen abgelegt.“
Quelle: Shlomo Venezia, Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Das erste umfassende Zeugnis eines Überlebenden, München 2008, S. 109f.
Die Krematoriumsöfen. Ein Fragment eines Krematorium-Models von Mieczysław Stobierski.
Quelle: PMA-B
„Vor jeder Ofenluke waren drei Männer damit beschäftigt, die Leichen hineinzuschieben. Je zwei Leichen wurden abwechselnd auf eine Art Bahre gelegt. So dass der Kopf der einen Leiche an den Füßen der anderen lag. Zwei an beiden Seiten der Bahre stehende Männer hoben sie mit Hilfe eines langen darunter geschobenen Holzes hoch. Der dritte Mann, der mit dem Gesicht zum Ofen stand, hielt die Griffe der Bahre, die ihrer Kippung dienten, damit die Leichen schnell von ihr in den Ofen gleiten konnten und die Bahre zog er wieder zurück, bevor das Metall zu heiß wurde. Die Männer des Sonderkommandos hatten es sich angewöhnt, Wasser auf die Bahre zu gießen, bevor sie die Leichen darauf legten, andernfalls blieben sie an dem glühend heißen Eisen kleben. Das erschwerte die Arbeit sehr, zumal man die Leichen dann mit einer Mistgabel runter ziehen musste, wobei Hautfetzen an der Bahre kleben blieben. Dies verlangsamte das Arbeitstempo immens, so dass die Deutschen den Häftlingen Sabotage vorwerfen konnten. Die Arbeit sollte demnach schnell und reibungslos vorangehen“.
Shlomo Venezia, Meine Arbeit im Sonderkommando Auschwitz. Das erste umfassende Zeugnis eines Überlebenden, München 2008, S. 110f.